Maßnahmen bei Vergiftungen

Trotz aller Fürsorge ist es nicht völlig auszuschließen, daß sich eine Kind durch Pflanzen vergiftet. Glücklicherweise verlaufen fast alle Pflanzenvergiftungen bei Kindern glimpflich ab. Sie werden überrascht sein, aber die größte Gefahr bei Pflanzenvergiftungen geht von der nachträglichen Behandlung aus, sei es durch diletantische Ärzte oder panisch reagierende Eltern, die auf Großmutters Hausmittel schwören.
Einen kompetenten Mediziner ausfindig zu machen, gehört in den Bereich der Vorsorge. Stellen Sie dazu dem auserkorenen Haus- oder Kinderarzt ein paar gezielte Fangfragen, etwa »Mein Kind kommt jetzt in ein Alter, wo es die Umwelt zu erforschen beginnt. Ich habe Angst, daß es mal eine Giftpflanze erwischt. Welche Pflanzen sind denn besonders gefährlich für mein Kind? Was empfehlen Sie mir als Vorsorge? Können Sie mir ein Buch empfehlen?« . Gibt der Arzt konkret Auskunft oder versucht er durch leere Worthülsen seine mangelnde Kompetenz zu verbergen? Kann er Ihnen einen Buchtitel nennen, vielleicht sogar auf eines seiner eigenen Bibliothek verweisen, oder verweist er auf den örtlichen Buchhändler? Bedanken Sie sich für die Auskunft, aber ziehen Sie die erforderlichen Konsequenzen.

Dekoration

Leider ist ein Wissen über Giftpflanzen vielerorts nicht vorhanden, so sind denn auch Panikreaktionen, wenn man zum ersten Mal mit einer mutmaßlichen Vergiftung konfrontiert wird, gang und gäbe. Den zumeist harmlosen und keineswegs lebensgefährlichen Vergiftungen wird teilweise mit Mitteln entgegnet, die den Schaden nur vergrößern. Hierzu gehören das Injizieren hochwirksamer Brechmittel (etwa Apomorphin), Magenspülung und auch die Diurese. Diese Maßnahmen sind lediglich bei schweren Vergiftungen gerechtfertigt. Rechtfertigen lassen sich solche Überreaktionen auch nicht mit Argumenten der Art, daß es sich ja um eine schwere Vergiftung handeln könne. In jedem Fall ist zu überprüfen, ob eine solche schwere Vergiftung zu erwarten ist. Würden Sie etwa eine Kopfschmerzbehandlung, die zum Haarausfall führt, mit der Begründung akzeptieren, daß die Kopfschmerzen ja eventuell durch einen Gehirntumor verursacht sein könnten? Allerdings ist auch bei schweren Vergiftungen nicht unbedingt sichergestellt, daß der Patient eine Behandlung erfährt, die schnellstmögliche Heilung verspricht, wie folgendes Literaturbeispiel belegt (ein weiteres Beispiel mit finden Sie im Portrait des Goldregens Laburnum anagyroides):
Ein Mann versuchte Selbstmord zu begehen durch Trinken von Meerzwiebelextrakt (Rattengift). Ohne sich über die Identität des Rattengiftes zu informieren, wurde dem Patienten Strophantin gespritzt. Strophantin hat eine ähnliche Wirkung wie das Meerzwiebelgift Scillaren A (beides Herzgifte), was anhand der folgenden chemischen Formeln auch den chemischen Laien nicht überraschen wird.

Strophantin

Scillaren A

Entsprechend wurde natürlich die Wirkung des Meerzwiebelgiftes verstärkt. Durch Behandlung mit Atropin konnte der Patient doch noch gerettet werden. 

Die größten Fehler in der häuslichen Medizin sind die Gabe von fetthaltigen Flüssigkeiten (also z. B. Milch; alkoholische Getränke sind genauso schlimm, bei Kinder ja aber ohnehin kontraindiziert) oder von Kochsalzlösung, um Erbrechen zu verursachen. Das Fett ist in der Lage die Giftstoffe aus der Pflanze zu lösen, so daß der Körper wesentlich mehr Giftstoff aufnehmen kann. Wird eingenommene Kochsalzlösung nicht vollständig erbrochen, kann insbesondere bei Kleinkinder eine schwere Kochsalzvergiftung die Folge sein.

Zusammenfassend seien folgende Maßnahmen bei Pflanzenvergiftungen empfohlen:

Salinisch: salzartig (d.h. nur in Wasser und nicht in Öl löslich)


Bei folgenden Stellen können in Notfällen 24 Stunden am Tag Informationen zu Vergiftungen eingeholt werden:

Berlin Berliner Betrieb für Zentrale Gesundheitliche Aufgaben
Institut für Toxikologie
Giftnotruf Berlin
Turmstraße 21
D-10559 Berlin
Tel.: +49(0)30 19240
Fax: +49(0)30 901728-255
Bonn Informationszentrale gegen Vergiftungen
Zentrum für Kinderheilkunde der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität
Adenauerallee 119
D-53113 Bonn
Tel.: +49(0)228 287-3211 od. 287-3333
Fax: +49(0)228 287-3314
Erfurt Giftnotruf Erfurt
Gemeinsames Giftinformationszentrum der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen,
Sachsen-Anhalt und Thüringen
c/o Klinikum Erfurt
Nordhäuser Straße 74
D-99089 Erfurt
Tel.: +49(0)361 730-730
Fax: +49(0)361 730-7317
Freiburg Informationszentrale für Vergiftungen
Universitäts-Kinderklinik
Mathildenstraße 1
D-79106 Freiburg
Tel.: +49(0)761 19240
Fax: +49(0)761 270-4457
Göttingen Giftinformationszentrum-Nord (GIZ-Nord)
Georg-August-Universität Göttingen
Zentrum Pharmakologie und Toxikologie
Robert-Koch-Straße 40
D-37075 Göttingen
Tel.: +49(0)551 19240 od. 383180
Fax: +49(0)551 3831881
Homburg/Saar Universitätskliniken
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
66421 Homburg/Saar
Tel.: +49(0)6841 19240
Fax: +49(0)6841 168341
Mainz Beratungsstelle bei Vergiftungen
Klinische Toxikologie
II. Rechtsmedizinische Klinik und Poliklinik
Johannes-Gutenberg-Universität
Langenbergstraße 1
D-55131 Mainz
Tel.: +49(0)6131 19240 od. 232466
Fax: +49(0)6131 176605
München Giftnotruf München
(Toxikologische Abteilung der II. Medizinischen Klinik rechts der Isar der TU)
Ismaninger Straße 22
D-81675 München
Tel.: +49(0)89 19240
Fax: +49(0)89 4140-2467
Nürnberg II. Medizinische Klinik des Städtischen Klinikums
Toxikologische Intensivstation
Flurstraße 17
D-90419 Nürnberg
Tel.: +49(0)911 398-2451
Fax: +49(0)911 398-2205
Wien Vergiftungsinformationszentrale für Österreich an der
1. Medizinischen Universitätsklinik, 9. Bezirk
Währinger Gürtel 18-20
A-1090 Wien
Tel.: +43(0)1 4064343-0
Zürich Schweizerisches Toxikologisches Informationszentrum
Freiestraße 16
CH-8028 Zürich
Tel.: +41(0)1 6341020
Fax: +41(0)1 2528833

Exkurs: Ergänzende Hinweise zu Vergiftungen anderer Ursache

Keinesfalls darf Erbrechen ausgelöst werden beim Verschlucken von ätzenden Substanzen (Säuren, Laugen etc.),  Lösungs- und Waschmitteln sowie bei Bewußtlosen.

Generell ist  bei Vergiftungen die Gabe von Milch nicht angebracht. Bei Vergiftungen mit folgenden Substanzen leistet die Gabe von Milch hingegen gute Dienste: Säuren, Laugen, Iod(tinktur), Silbernitrat (Höllenstein) und anorganische Quecksilberverbindungen. Die günstige Wirkung ist hier auf das Milcheiweiß zurückzuführen. Offensichtlich hat die positive Wirkung der Milch bei diesen Chemikalien dazu geführt, Milch generell als Mittel bei Vergiftungen zu empfehlen. Dies kann aber fatale Folgen haben.
Eine besondere Vorgehensweise ist bei einer Vergiftung mit Methanol (Methylalkohol) gegeben: Als erstes ist für einen Aufenthalt in dunklen Räumen zu sorgen, um die Gefahr einer Erblindung zu verringern. Anschließend sind dem Patienten 30-40 ml Ethanol (Ethylalkohol) in Form von etwa 100 ml Branntwein, Cognac, Wiskey oder ähnlichem zu geben. Es muß dann über mehrere Tage ein Blutalkoholspiegel von etwa 1 Promille aufrechterhalten werden. Der Hindergrund ist, daß das Enzym (ADH), welches für den Abbau von Ethanol benötigt wird, auch Methanol in die eigentlichen Gifte Formaldehyd und Ameisensäure überführt. Ethanol ist allerdings in der Lage Methanol aus dem Enzymkomplex zu verdrängen und somit dessen Umwandlung in Formaldehyd zu verhindern. Methanol wird dann weitestgehend über die Lungen abgeatmet oder über die Nieren ausgeschieden ohne Schaden zu verrichten. Diese Eigenschaft des Ethanols ist übrigens auch dafür verantwortlich, daß geringe Mengen Methanol in alkoholischen Getränken keineswegs so gefährlich sind, wie es die Zollbeamten den Schwarzbrennern einreden wollen. Fazit: Eine Methanolvergiftung ist die einzige Möglichkeit von der Krankenkasse einen Vollrausch bezahlt zu bekommen.

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